„Sitz!
Platz! Kauf!”:
Dressurversuche am lebenden Objekt.
Im
Jahr 1898 führte der US-Amerikaner Elmo St. Lewis die „AIDA”-Regel
in den Verkauf ein, wonach der Verkaufsablauf in simplen 4 Phasen
stattfindet, nämlich Attention (Aufmerksamkeit
erregen), Interest (Interesse wecken), Desire
(Kaufwunsch fördern) und Action (Kaufabschluss)
- Fertig.
Ein
paar Jahre später, 1905, schien der Russe Iwan P. Pawlow
mit seinem berühmten Experiment, dem „Pawlow'schen
Hund”, diese Regel zu stützen: Pawlow läutete
zunächst vor jeder Fütterung des Hundes eine Glocke.
Der Hund reagierte irgendwann auf das bloße Signal hin mit
Speichelfluss, auch wenn er gar kein Futter bekam. Dieser Effekt
wird seit dem nach Pawlow als „klassische Konditionierung”
bezeichnet.
Beides
wird noch heute in der Werbung angewendet, wider jeden besseren
Wissens, das man heute längst hat. So wird im Werbejargon
noch immer davon gesprochen, dass ein Kunde irgendwann „die
Botschaft gelernt” hat, man muss sie ihm nur oft
genug und simpel genug auf die Augen drücken und um die Ohren
hauen (die Methode der „Penetration”).
Also:
das „Reiz->Reaktions”-Schema, auch noch in Verbindung
mit dem „Sender->Empfänger”-Modell, beides
gemäß „Ursache->Wirkung”-Prinzip, und
damit: komplett falsch. Ganz einfach erkennbar an der Fehlquote
von über 98% der Marketing-Kommunikation, woran die klassische
Werbung einen gehörigen Anteil hat.
Wirkungslose
Werbung:
Warum über 98% glatt verpuffen
Welches
Verständnis von Werbung herrscht eigentlich in den
Köpfen? Als Anbieter („Sender”) meint man, eine
ganz bestimmte Botschaft basteln zu müssen (Nutzenargumentation,
Zusatznutzen, USP), die
über ausgesuchte Kanäle 1-zu-1 zur „Zielgruppe”
(„Empfänger”) transportiert wird, und dann genau
das bewirkt, was man beabsichtigt.
Diese
Theorie ist jedoch falsch. Völlig falsch. Das Ganze ist angelehnt
an die Funktionsweise eines Radios und reduziert die Kommunikation
auf simple, rein funktionale Abläufe und Mechanismen.
Jedoch: „Schon im Alltag ist offensichtlich, dass Kommunikation
so nicht funktioniert” (Neurobiologen Humberto Maturana
und Francisco Varela).
Dennoch
sitzt dieser Glaube dermaßen fest in den Köpfen, dass
man sich Werbung gar nicht anders vorstellen kann („Wie
denn sonst?”). Und so basteln Anbieter fleißig weiter
an ihren „Kernbotschaften”, und lassen sie weiterhin
von Werbeagenturen kreativ aufpeppen, damit sie „treffender”
wirken, und können Medien (Fachzeitschriften, Websites, Zeitungen,
etc) weiterhin von sich behaupten, sie seien der „ideale
Kanal”, über den die „Empfänger” („Zielgruppe”)
am besten erreicht werden würden.
Dieses
gesamte übliche Spielchen basiert darauf, dass alle daran
glauben. Nicht zuletzt auch: mangels Alternative. Bislang.
„Ja,
aber...”:
Freiwillig in die Sackgasse argumentiert
Sehen wir uns das Vorgehen in der Praxis an, also die Überzeugungsarbeit
per Argumentation, finden wir uns damit schlagartig im 17. Jahrhundert,
zwischen 1619 und 1667 wieder (siehe: >>
Zeitreise):
Es geht im Prinzip darum, jeden Zweifel daran auszuräumen,
wer oder was „der Bessere”, „das Beste”
oder gar „das einzig Wahre” ist. Dazu soll eine Argumentationskette
nach dem Ausschlussverfahren („Entweder-Oder”) letztlich
zur Überzeugung führen. Ein mittelalterlich gedachter
Idealfall.
Das
Dumme daran ist zunächst einmal, dass man einem Argument
entweder zustimmen kann - oder eben nicht. Man reduziert damit
also seine Chancen von Anfang an freiwillig selbst auf
50 Prozent. „Bestenfalls” kommt es noch zur Gegenargumentation,
oftmals zu wortloser Ablehnung.
Überzeugungsarbeit per Argumentation spaltet immer in ein
„Dafür oder Dagegen”. Das heißt erstens:
Man produziert sich selbst(!) vollautomatisch seine „Zielgruppe”,
indem man Menschen ausgrenzt, die der Argumentation nicht folgen
können oder wollen. Zweitens provoziert man völlig unnötigen
Widerstand, den man dann mit weiteren Argumenten zu brechen versucht.
Und beides, wie gesagt, auch noch: freiwillig.
Marathon
im Teufelskreis:
Die ewige Jagd nach dem „besseren Argument”
Dabei ist man jedoch natürlich nicht der einzige, der meint,
die „besseren Argumente” zu haben. Erschwerend hinzu
kommt, dass das Repertoire faktischer Argumente heute nahezu erschöpt
ist. So stolpert man prompt nicht nur in die Vergleichbarkeit,
sondern von einer Erklärungsnot in die nächste. Folgeprobleme,
die man gar nicht haben müsste.
Das führt gleich zum nächsten Folgeproblem, wie man
der Vergleichbarkeit entkommen und sich unterscheidbar machen
könnte (z.B. Differenzierung, Alleinstellung, USP, etc),
und dadurch wiederum das nächste Folgeproblem, permanent
ein waches Auge auf die Konkurrenz werfen zu müssen.
In
dieser - wohlgemerkt: rein gedanklichen - Klemme steckend
ist man auf allerlei wundersame Einfälle gekommen: Nur deswegen
nämlich wird Wäsche nicht mehr „nur sauber, sondern
rein”, sondern „porentief rein”, mutierte Wasch-Pulver
zu Konzentrat und dann zu „Megaperls”, werden Produkte
andauernd „jetzt noch besser” und sind Kartoffelchips
ein „Ausdruck von Lebensgefühl” und ermöglichen
Einwegrasierer eine „neue Dimension der Frische”.
Das zwanghafte Basteln von Unterscheidungsmerkmalen, wo es ansonsten
keine gibt - in der Psychologie nennt man das „Neurose”.
Jedoch:
das alles reicht noch längst nicht. Nur die verzweifelte
Suche nach dem „Dennoch-Unterschied”, die Jagd nach
dem „besseren Argument” hat auch zu Ideen geführt
wie Kundenklubs und -Magazine, Bonuskarten, Call Center und 24-Stunden-Hotlines,
zu Prüf-, Echtheits- und Qualitätssiegeln aller Art,
„Geld-zurück”-Garantien, Events und „Erlebniskauf”...
allesamt aus der blanken Erklärungsnot entstandene „Zusatzargumente”.
Ratlos.
Sinnlos. Wert(e)los. Egal wie:
Irgendwas igendwie an irgendwen verkaufen.
Die
klassische Werbung
besteht aus einer Unmenge von Folgeproblemen, und krankt ihrerseits
an Folgeproblemen, die das Marketing produziert. So wurde ab der
Zeit flächendeckender Marktsättigungen der Bedarf zu
einem Problem: „Wie verkauft man etwas an Menschen, die
schon alles haben?”.
Damit
wurde die Konzentration klammheimlich
verlagert: vom materiellen Bedarf zum psychisch-emotionalen
Bedürfnis - und wurde nun der
Kunde zum Zielobjekt erklärt, abgezielt auf all seine psychischen,
emotionalen, informationellen und intellektuellen Schwächen
und Defizite:
Mit
dieser Methode der „malignen Emotion” wird z.B. Männern,
die sich nicht männlich genug fühlen (vor allem, weil
man es ihnen vorher eingeredet hat), versprochen, durch den Kauf
eines Produktes - zum Beispiel eines Autos oder Rasierwassers
- männlicher zu wirken. Heilsversprechen von Glück und
Gesundheit, Sicherheit und Zufriedenheit, Überlegenheit und
Sorglosigkeit, Geborgenheit, Geldgewinn und Anerkennung, etc,
etc.
Eine
heute mehr als zynische „Normalität” von Werbung,
weitest möglich entfernt von allen Forderungen nach „Ethik
und Moral in der Wirtschaft”, sogar - im Gegenteil - mittlerweile
durch Ausstellungen und TV-Shows mit den „lustigsten Werbespots”
zum fragwürdigen „Kulturgut” erhoben.
Es
ist höchste Zeit, sich mit einer anderen Art der Werbung
zu befassen:
Das mimesisPrinzip. Denn: Erfolg geht auch anders - ganz
anders.
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