Kranke
Arbeitswelt:
Zwischen Büro und Intensivstation.
Wenn
Unternehmen nicht nur u.a. für Güter, Waren, Arbeit
und Konsum sorgen, sondern auch dafür, dass Ärzte, Therapeuten,
Apotheken und Kliniken bestens ausgelastet sind, dann ist das
mindestens so merkwürdig wie auch „ganz normal”:
Über
50% der deutschen Angestellten leiden unter Stress
und Druck. Die stressbedingten Arbeitsausfälle
verursachen Kosten von angeblich rund 20 Milliarden Euro pro Jahr.
Etwa 800.000 Angestellte schlucken regelmäßig Aufputschmittel
(„Doping”), um den Arbeitstag zu überstehen bzw.
um aus Angst um den Job
leistungsfähiger zu sein.
Die
diagnostizierten Fälle von „Burnout”
haben inzwischen eine Rekordzahl von ca. 9
Millionen Menschen erreicht, bei einer extrem
hohen Dunkelziffer. Ein Betroffener ist rund 40
Tage pro Jahr krank abwesend, die Folgekosten
belaufen sich auf fast 10 Milliarden Euro für die gesamte
Wirtschaft - wobei sich diese Zahlen laut dem Bundesministerium
für Arbeit in den letzten 15 Jahren glatt verdoppelt haben.
Auch
Mobbing greift
in deutschen Unternehmen immer mehr um sich. Circa 10%
der Angestellten sind direkt oder indirekt betroffen, rund
45% davon erkranken daran sogar dauerhaft psychisch.
Rund 30% der Kollegen
eines gemobbten Mitarbeiters arbeiten nur noch mit reduzierter
Leistung.
Die Folgekosten betragen mindestens 4 Milliarden Euro für
Arbeitsausfälle, der volkswirtschaftliche Schaden circa 15
Milliarden Euro (inkl. medizinische Behandlungen, Kuraufenthalte,
Frühverrentung, Produktivitätsverlust, etc) pro Jahr.
Ein einziger Fall
von Mobbing kostet ein Unternehmen zwischen 30.000 und 50.000
Euro.
Man
könnte daraus schließen: „Arbeit macht krank”.
Korrekter jedoch ist die Feststellung, dass nicht die Arbeit
krank macht. Es ist das System, in dem sie stattfindet.
Oder um es mit dem Psychotherapeuten Hans-Joachim Maaz zu sagen:
„Das westliche System macht krank. Stark und siegreich
in einer Wettbewerbsgesellschaft sein zu müssen, ist für
viele eine Belastung”.
Nicht
ohne Blessuren:
Erdrückende Folgeprobleme.
Eine jährlich vom „Gallup”-Institut durchgeführte
Studie offenbart jedes Jahr das annähernd gleiche trübe
Ergebnis:
• etwa 60% der Angestellten sind mit ihrer Arbeitsplatzsituation
unzufrieden und machen nur noch „Dienst nach Vorschrift”.
•
ca. 45% der Führungskräfte planen aus Unzufriedenheit
einen Jobwechsel innerhalb der nächsten fünf Jahre.
• um die 25% der Arbeitnehmer haben quasi „innerlich
gekündigt”, was etwa 10% mehr sind als noch vor 10
Jahren.
• gerade einmal 14% der Angestellten haben echte Freude
bei der Arbeit.
Der
Verlust für die deutsche Wirtschaft durch Arbeitsausfälle,
Fehlzeiten, Leistungsabfall, etc beträgt circa 125 Milliarden
Euro, für die Volkswirtschaft insgesamt (inklusive Kosten
für medizinische Behandlung, Kuraufenthalte, Frühverrentung,
etc) sogar rund 225 Milliarden Euro.
Rund
30% der
Arbeitnehmer haben Angst um ihren Job.
Etwa die Hälfte davon geht deshalb auch im Krankheitsfall
zur Arbeit. Dadurch wiederum steigt die Gefahr, dass sich der
Gesundheitszustand weiter verschlechtert und der Arbeitsausfall
dann umso länger ist.
Das
alles ist kein großes Wunder: Bei einer Unternehmensführung,
die per Strategie und Marketing grundsätzlich auf
Rivalität und Kampf ausgerichtet ist, muss das zwangsläufig
auch die Menschen in Mitleidenschaft ziehen, die das
Ganze umsetzen sollen - eben in den Erscheinungsformen von Stress,
Druck, Angst, Frustration, „Burnout”, Mobbing, etc.
Insbesondere
tragisch, wenn in der jeweiligen Chefetage das Rivalitäts-
und Kampfdenken für eine tolle Sache gehalten wird („Was
nicht umbringt, macht einen härter”), wenn die Chefs
selbst „Stress brauchen, um gut zu sein” und sich
durch Druck „zusätzlich motiviert” fühlen
- und diese Einstellung auf ihre Mitarbeiter projizieren und/oder
übertragen wollen.
Das
verdrängte Kernproblem:
Voll auf Konflikt ausgerichtet.
Von
eminenter Wichtigkeit ist auch hier, über den ökonomischen
Tellerrand hinaus zu sehen, gerade wenn es um die gesellschaftliche
Mitverantwortung von Unternehmen und die Grundsätze des „Ehrbaren
Kaufmanns” geht:
Schließlich sind die Folgeprobleme nicht nur wirtschaftlicher
Art, sondern die Betroffenen tragen ihre psychischen Belastungen
nach Feierabend mit nach Hause in das Familienleben hinein, reagieren
sich im Straßenverkehr ab und/ oder landen in Alkohol-,
Tabletten- oder Spielsucht.
Nicht
selten, dass Großunternehmen - statt an dem Kernproblem
etwas zu ändern - Millionen von Euro in Maßnahmen für
Mitarbeitermotivation und ein besseres Betriebsklima („Job-Enrichment”)
investieren. Manch ein Konzern beschäftigt mehrere Dutzend(!)
„Change Agents”, um dessen -zig Tausend Angestellte
in Einzelgesprächen zu „therapieren”. Paradox.
Das
Kernproblem liegt dabei nicht ursächlich in den Unternehmen,
sondern es liegt in der noch immer „ganz normalen”
Unternehmensführung, wie sie u.a. per Strategie
und Marketing als Rivalität und Kampf verstanden wird: „Das
Konzept des Wettbewerbs ist längst überholt und viel
zu einseitig auf Kampf ausgerichtet” (Edward de Bono).
Das
heißt: Es wird dringendst
eine andere Art der Unternehmensführung benötigt,
in der es - ganz einfach - keinen Nährboden mehr für
all diese und die etlichen anderen Folgeprobleme gibt. Willkommen
im mimesisPrinzip!
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