Marketing:
Im wahrsten Sinne... ein alter Hut.
Das
Marketing entstand in seinen Grundzügen in den 1920er Jahren,
damals erfunden vom „Procter&Gamble”-Konzern.
Seit fast 100 Jahren ist es dabei grundsätzlich
völlig unverändert und wird auch heute noch exact
genau so betrieben - als ob zwischendurch nichts passiert
wäre.
Zum
Verständnis der Problematik kann es helfen, sich vorzustellen,
wie die Welt damals ausgesehen hat: Es war die Zeit einiger epochaler
Erfindungen, (z.B.) machte die Elektrizität die allgemeine
Stromversorgung möglich und damit elektrische Geräte,
die den Privathaushalt komplett revolutionierten, von Glühbirne,
Waschmaschine und Kühlschrank bis zum Fernseher, dazu u.v.a.
die Massenmotorisierung forciert durch Henry Ford und das rasante
Wachstum der Großstädte mit den dazugehörigen
Problemen, sowie nicht zuletzt die u.a. durch Plastikprodukte
entstandene „Wegwerfmentalität”.
Der
Beginn der Massenproduktion für einen Massenbedarf in nahezu
allen Lebensbereichen, erst recht natürlich in der Nachkriegszeit.
Aus
dem bis dahin noch simplen Verkaufen wurde das „Marketing”
- weil das Verkaufen kein großes Problem mehr war,
sondern vielmehr das Verfügbarmachen und Verteilen
der Massen von Waren für die massenhafte Nachfrage.
Darauf
basiert das Grundmodell des Marketing: auf dieser völlig
stabilen und vergleichsweise übersichtlichen Marktsituation,
in der ein Anbieter seine Ware ohne Probleme los wird und sich
nicht großartig um (alte wie neue) Kunden bemühen muss.
Dem entsprechend musste es Probleme für das Marketing hageln,
als mit dem Wirtschaftswunder ganz allmählich eine Marktsättigung
in sämtlichen Bereichen eintrat: Das Fundament des Marketing
begann sich aufzulösen, nämlich die Knappheit
von Waren und Gütern. Spätestens jetzt wäre es
notwendig gewesen, das Marketing (eben: grundsätzlich)
zu überdenken.
Jedoch:
von wegen. Statt dessen hielt man grundsätzlich daran fest
und vollführte klammheimlich eine Verlagerung der Zielpeilung:
Weg von der Orientierung am „Markt” und der „Vermarktung”
von Waren, hin zum Kunden, seinen Problemen, Bedürfnissen
und vor allem: Schwächen.
Dazu
holte man in den 1970er Jahren die Psychologie ziemlich erfolglos
mit ins Boot und begann in den 1980er Jahren mit Hilfe der Computertechnik
systematisch Daten über das Kundenverhalten zu sammeln („Datamining”)
und ist inzwischen bei der im Trend liegenden Neuro- und Gehirnforschung
angelangt („Neuro-Marketing”): Verzweifelte Versuche,
irgendwie „in die Köpfe der Menschen zu kommen”.
Entstanden
ist daraus mittlerweile ein Flickwerk, Wust und Misch-Masch an
Mitteln, Maßnahmen und Notnägeln, den man „Marketing-Mix”
nennt - als würde es sich dabei um ein ausgeklügeltes
System handeln ...und so löst man mittels Marketing Probleme,
die man ohne Marketing gar nicht hätte.
Sinnlos
erfolgreich:
Ein paar Macken des Marketing...
Das Marketing ist mitsamt der Strategie eine der „Heiligen
Kühe”, absolut normal und völlig selbstverständlich.
Wer will das also ernsthaft in Frage stellen. Nehmen wir uns doch
einmal die Frechheit heraus, machen das trotzdem und lassen uns
einfach überraschen...
An
erster Stelle sollte man sich auch hier - wie bei der Strategie
- über den Begriff an sich ein/zwei Gedanken machen:
Marketing heißt „Vermarktung”,
wodurch eben „der Markt” den Kern der Theorie bildet.
Eines der etlichen Folgeprobleme daraus: es wird nur
das ernsthaft verfolgt, wofür es „einen
Markt” gibt. So wird a) alles mögliche an sinnlosem
Ramsch verkauft, weil es sich verkaufen lässt, und
haben b) Menschen mit seltenen Krankheiten sowie Kinder leider
Pech gehabt, weil es sich für die Pharmakonzerne „nicht
lohnt”, eigens für sie Medikamente herzustellen. Das
ist ziemllch weit entfent von „Ethik und Moral in der Wirtschaft”
und „Ehrbarem Kaufmann” und da hilft dann auch kein
„Social Marketing” mehr.
Zum
Zweiten folgt daraus das ominöse Theoriegebilde der „Zielgruppen”,
die sich irgendwo in einem solchen „Markt” befinden.
Mit einem Heidenaufwand von geo- und psychographischen und soziodemographischen
Analysen und Typisierungen (etc, etc) gaukelt das Marketing eine
„Zielbarkeit” vor, die es allenfalls vor fünfzig
Jahren noch gegeben hat, jedoch wohl kaum noch im Zeitalter der
maximalen Individualisierung.
Zum
Dritten ist spätestens daran das extrem fragwürdige
Grundprinzip des Marketing zu erkennen: das „Zielen+Treffen”,
nämlich auf Menschen(!), also Menschen als „zu
treffende Zielobjekte”. Dieser Zweck heiligt die Mittel,
die von der Psychologie bis neuerdings zur Gehirnforschung reichen:
Es geht eben schon lange nicht mehr darum, das eigene Angebot
zu optimieren, sondern darum, irgendwie „in die Köpfe
der Menschen” zu gelangen, zur Not mit einem militanten
„Guerilla Marketing”. Auch das ist weit entfernt von
den Grundsätzen eines „Ehrbaren Kaufmanns”.
Zum
Vierten versteckt sich in dem Ganzen die längst überholte
Denkweise nach dem „Ursache->Wirkung”-Prinzip:
das „Zielen->Treffen” auf der Basis des „Reiz->Reaktions”-Schemas
und „Sender->Empfänger”-Modells - als seien
Menschen hirnlose Input-Maschinen, die auf bestimmte Botschaften
und bestimmte Reize auf ganz bestimmte, kalkulierbare, planbare
Weise reagieren würden.
Zum
Fünften zeigt sich die ganze Tragik in einer über 98%-igen
Fehlquote der Marketing-Kommunikation. Das Versagen der Systematik
an sich kann eigentlich nicht deutlicher sein. Dennoch treibt
man den Unsinn weiter mit immer neuen Methoden und Marketing-Varianten,
die ein „noch genaueres Zielen” versprechen. Genauso
gut könnte man sein Geld auch ins Casino tragen. Die Chancen
die Bank zu sprengen, sind zuweilen größer.
Zum
Sechsten hat sich mit dem Marketing auch die Ansicht verbreitet,
dass (zum Beispiel) Werte, Sinn und Relevanz für den Erfolg
keine Rolle spielen, sondern u.a. Preispolitik, Argumentation,
„Emotionalisierung”, Psychotricks und (damit) das
clevere Ausnutzen menschlicher Schwächen und Defizite viel
wichtiger und erfolgsentscheidend seien. So ist scheinbar irrelevant,
welchen Sinn es hat, wenn ein Existenzgründer die
zwölfte Dönerbude im Stadtteil eröffnen will oder
welchen Sinn die Markteinführung des vierundachtzigsten
Haarshampoos haben soll. Das Marketing suggeriert, dass (u.a.)
diese Frage nach dem Sinn völlig unnötig ist: Mit dem
„richtigen Mix” von Mitteln und Maßnahmen wird
man auch sinnlos erfolgreich.
In
aller Konsequenz:
„Abschied vom Marketing”.
Einen
„Abschied vom Marketing” hat
Gerd Gerken bereits Ende der 1980er Jahre in seinem gleichnamigen
Buch empfohlen. Das sinkende Schiff konnte sich jedoch bis heute
über´s Wasser halten, vor allem durch den Boom der
Computertechnik, Datenverarbeitung und anschließend des
Internet, wovon man sich auch rettende neue Möglichkeiten
für das Marketing versprach.
Es
hat nicht geholfen. Weil nicht gerettet werden kann,
was einfach nicht zu retten ist. Das Hauptproblem ist
eben die Systematik an sich: das Marketing ist grundsätzlich(!)
falsch. Jeder neue Versuch der Flickschusterei bedeutet, eine
völlig falsche Vorgehensweise noch optimieren zu wollen.
Und
das Ganze ist nicht nur deshalb falsch, weil das Marketing von
der Zeit, den heutigen Erkenntnissen und Realitäten längst
überholt ist. Sondern es ist schon deshalb falsch, weil es
- analog zum Vorgehen per Strategie - auf einem fragwürdigen
Welt- und Menschenbild basiert, das Menschen auf den Status von
Zielobjekten und ökonomischem Schlachtvieh reduziert.
Deshalb
ist es höchste Zeit, auch das Marketing durch ein
neues, anderes, zeitgemäßes Vorgehen zu ersetzen:
das mimesisPrinzip.
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